27.02.202413. März, Hannover

CO₂ unterirdisch speichern: Chancen und Risiken einer kontrovers diskutierten Klimatechnologie

Geht es nach den Klimaschutzplänen der Europäischen Kommission, werden in den kommenden zwei Jahrzehnten EU-weit massive Anstrengungen unternommen werden müssen, um das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid (CO₂) einzufangen und sicher zu speichern. Das gilt insbesondere für Deutschland, das im Jahr 2022 für ein Viertel aller EU-weiten CO₂-Emissionen im Energiesektor verantwortlich war.

Wie aber ließe sich deutschlandweit Kohlendioxid im großen Maßstab auffangen und sicher speichern? Welche Lagerstätten kämen infrage, welche Infrastrukturen müssten geschaffen werden? Welche Risiken gäbe es und wäre eine CO₂-Verpressung tief unter der deutschen Nordsee die bessere Alternative im Vergleich zur unterirdischen CO₂-Speicherung an Land?

Diese und viele andere drängende Fragen zur Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung (englisch: Carbon Capture and Storage, CCS) diskutierten führende Wissenschaftler:innen mit interessierten Bürger:innen am Mittwoch, den 13. März 2024, in Hannover in einer CCS-Informationsveranstaltung im Cavallo.

Folgende Expert:innen standen dem Publikum Rede und Antwort:

Dr. Felix Schenuit, Politikwissenschaftler und Experte für europäische Klimapolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie Forscher im Synthese- und Transferprojekt des CDRterra-Forschungsverbundes CDRSynTra

Prof. Dr. Klaus Wallmann, Geologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des CDRmare-Forschungsverbundes GEOSTOR zur Speicherung von CO₂ tief unter der deutschen Nordsee, sowie

Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Expertin für Bioenergiesysteme am Umweltforschungszentrum Leipzig und Leiterin des CDRterra-Forschungsverbundes zur mehrstufigen Bewertung von biobasierten Negativ-Emissions-Technologien (BioNET).

Die Veranstaltung begann um 19:30 Uhr mit Kurzvorträgen der Wissenschaftler:innen. Anschließend stellten sich die drei Expert:innen den Fragen ihrer Gäste.

Aufzeichnung des Infoabends über das Thema „Kohlendioxid unterirdisch speichern" am 13. März in Hannover.

CCS – Eine Debatte nimmt Fahrt auf

Verfahren zur Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung werden sowohl für bestimmte Verfahren zur CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre benötigt als auch für die Vermeidung von Emissionen bei Industrieprozessen, in denen der Ausstoß von Kohlendioxid bislang nicht oder nur schwer verhindert werden kann (z. B. bei der Zementherstellung oder Müllverbrennung).
Einsatz und Ausbau von CCS werden in Deutschland aktuell kontrovers diskutiert. Befürworter der CCS-Technologien argumentieren, dass sich ohne CCS in der Industrie und als Baustein von CO₂-Entnahme die Pariser Klimaziele nicht mehr erreichen lassen und biologische Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um der Atmosphäre ausreichend CO₂ zu entziehen. Gegner hingegen verweisen auf die hohen Kosten von CCS und betonen, dass ihr großflächiger Einsatz Unternehmen davon abhalten könnte, zeitnah aus der Nutzung von Erdgas, Kohle und Erdöl auszusteigen. Zudem befürchten sie enorme Umweltrisiken beim Bau der notwendigen Anlagen sowie beim Verpressen des CO₂ im Untergrund.

Organisiert wurde die Abendveranstaltung von den beiden Forschungsprogrammen CDRmare und CDRterra, in denen Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachdisziplinen und Forschungsinstitutionen Methoden zur CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre auf ihre Machbarkeit, Potenziale, Risiken und Vorteile hin untersuchen. Anlass der Veranstaltung war die erste gemeinsame wissenschaftliche Jahrestagung, welche die Mitglieder beider vom Bundesforschungsministerium finanzierten Programme vom 12. bis 15. März 2024 in Hannover abhielten.

Weiterführende Hintergrundinformationen:

CDRmare – Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) »Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung«
In der Forschungsmission CDRmare untersuchen rund 200 Forschende aus 22 Partnerinstitutionen, ob und in welchem Umfang der Ozean und seine Küstenökosysteme eine wesentliche Rolle bei der Entnahme und Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre spielen können. Die Forschenden überprüfen dabei nicht nur die technische Machbarkeit verschiedener Ansätze und Verfahren, sondern untersuchen auch die Wechselbeziehungen mit und die Auswirkungen auf die Meeresumwelt, das Erdsystem sowie auf den Menschen und die Gesellschaft. Gleichzeitig entwickeln sie Methoden, mit denen sich die marine Kohlenstoffspeicherung überwachen, bilanzieren und auf bestimmte Maßnahmen zurückführen lässt – all das vor dem Hintergrund einer Meeresumwelt, die sich aufgrund des menschengemachten Klimawandels schon heute grundlegend verändert.
Mehr Informationen auf cdrmare.de.

CDRterra – Realistische Potenziale landbasierter CO2-Entnahmeverfahren
Im Forschungsprogramm CDRterra untersuchen über 100 Wissenschaftler*innen in zehn Verbundprojekten, wie und in welchem Umfang Methoden zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre an Land dazu beitragen können, den Klimawandel zu begrenzen. Dabei berücksichtigen sie politische, ökologische, technische, ökonomische und gesellschaftliche Fragen. Das Ziel der Forschenden ist, die Potenziale und Risiken der verschiedenen Verfahren umfassend und einheitlich zu bewerten. Auf Basis dieser Forschung können Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit anschließend jene CDR-Methoden auswählen, die von der Gesellschaft akzeptiert werden, politisch und technisch umsetzbar sind und von Fachleuten als ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll eingestuft wurden. Das Synthesevorhaben CDRSynTra führt die Ergebnisse aus allen Projekten zusammen. Es bildet zudem die zentrale Schnittstelle zur parallel laufenden Forschungsmission CDRmare.

Ansprechpartner:innen für Redaktionen

Pressereferentin Karin Adolph, E-Mail: karin.adolph@geographie.uni-muenchen.de, Tel.: 089 21806594

v. l. n. r.: Prof. Dr. Klaus Wallmann, Prof. Dr. Daniela Thrän, Dr. Felix Schenuit und Moderator Lukas Fehr auf dem Podium unseres Infoabends.