03.07.2024Afterwork in Berlin

Insights zur CO₂-Entnahme an Land und im Meer

CDRterra/CDRmare, Frank Wölffing

Bei einer gemeinsamen Abendveranstaltung in der Hauptstadt diskutierten Forschende von CDRmare und CDRterra mit Akteur:innen aus Politik und Praxis über Möglichkeiten, wie eine langfristige CO₂-Entnahme und -Speicherung an Land und im Meer zur Klimaneutralität beitragen kann.

Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland neben der Emissionsreduktion auch große Mengen Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre entnehmen und langfristig speichern. Wie kann dieser Prozess sinnvoll gestaltet werden? Nach drei Jahren interdisziplinärer Forschung teilen Wissenschaftler:innen der beiden Forschungsprogramme CDRmare und CDRterra ihr gebündeltes Wissen über CDR (Carbon Dioxide Removal) und CCS (Carbon Capture and Storage) an Land und im Meer mit politischen Akteur:innen und Praxispartner:innen. Dazu luden sie am 2. Juli zu einem „After Work Insight”-Event in der Hauptstadt ein. Rund 50 Vertretende aus Ministerien, Nichtregierungsorganisationen und Verbänden kamen am Abend ins Magnus-Haus in Berlin und tauschten sich mit den Forschenden über wichtige Ergebnisse und Handlungsmöglichkeiten aus.

Gemeinsam die Weichen Richtung Klimaneutralität stellen

Derzeit entwickelt die Bundesregierung einige Strategien und Programme, die direkt oder indirekt auf ein Erreichen der Klimaziele hinwirken – zum Beispiel die Carbon-Management-Strategie, die Langfriststrategie Negativemissionen, das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz oder auch die Biomasse- und Meeresstrategie. Die Forschung von CDRmare und CDRterra liefert dafür wichtiges, evidenzbasiertes Wissen. Um dieses zur Verfügung und gemeinsam die Weichen Richtung Klimaneutralität zu stellen, treten die Wissenschaftler:innen mit Veranstaltungen wie dieser aktiv in den Dialog mit politischen Entscheidungstragenden und weiteren relevanten Akteur:innen.

Quelle: CDRmare/CDRterra, Frank Wölffing.
CDRterra-Sprecherin Julia Pongratz und CDRmare-Sprecher Andreas Oschlies im Gespräch mit Stefan Müller (BMBF, in der Mitte). Quelle: CDRterra/CDRmare, Frank Wölffing.

Nach einem Grußwort von Stefan Müller, Abteilungsleiter der Abteilung 7 „Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung” des Bundesforschungsministeriums, stellten die Sprecher:innen von CDRterra (Prof. Dr. Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München) und CDRmare (Prof. Dr. Andreas Oschlies vom Geomar und Prof. Dr. Gregor Rehder vom Leibnitz-Institut für Ostseeforschung) Highlights der ersten Phase der beiden Forschungsprogramme zu land- und meeresbasierten CDR-Methoden vor. Dabei gaben sie auch einen Ausblick auf Forschungsfragen und -projekte, die sie in der zweiten Phase angehen wollen.

„Für eine umfassende und realistische Bewertung von CO₂-Entnahmemethoden ist es wichtig, Nebeneffekte und Risiken bei etablierten Verfahren zu verstehen. Dazu verknüpft die aktuelle Forschung eine große Bandbreite an Disziplinen”, so Julia Pongratz. „Aber auch neue Technologien werden wir für ein sinnvolles CDR-Portfolio brauchen und weiter erforschen müssen. Diese sind in der Gesellschaft jedoch noch nicht angekommen. Damit sich die Menschen ein realistisches Bild über die Möglichkeiten und Grenzen einer CO₂-Entnahme machen und faktenbasierte Entscheidungen treffen können, ist der Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft essenziell.”

CO₂-Entnahme: Dialog ist essenziell

Neben zahlreichen CO₂-Entnahmeverfahren an Land bietet auch der Ozean viele Möglichkeiten, der Atmosphäre zusätzliches CO₂ zu entnehmen. „Die physikalischen und biogeochemischen Prozesse, die diesen Optionen zugrunde liegen, haben in der Erdgeschichte einen wesentlichen Beitrag zur Klimastabilisierung geleistet. Ihr Potenzial sowie ihre Nebenwirkungen im Falle eines gezielten Einsatzes zur CO₂-Entnahme sind allerdings noch nicht gut erforscht,“ sagte Andreas Oschlies. „Die wichtigste Aufgabe der Meeresforschung lautet deshalb, die möglichen Auswirkungen eines solchen Einsatzes auf die Meeresumwelt und die Gesellschaft zu untersuchen und so entsprechendes Handlungswissen für die politisch-gesellschaftliche Entscheidungsfindung bereitzustellen“, ergänzte Gregor Rehder.

Impressionen des Afterworkinsights-Events in Berlin

https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png
https://api.cdrterra.de/wp-includes/images/media/default.png

Die Kernbotschaften von CDRmare und CDRterra

Den aktuellen Forschungsstand bei den Themen CO₂-Entnahme und -Speicherung fassten die Wissenschaftler:innen in folgenden Kernaussagen zusammen:

1. Carbon Dioxide Removal (CDR) ist als Ergänzung zu Emissionsreduktionen nötig.
Um die globale Erderwärmung zu begrenzen, muss die Menschheit bis spätestens Mitte des Jahrhunderts Kohlendioxidneutralität erreichen. Dafür ist eine massive Reduktion von Emissionen nötig. Es wird jedoch schwer vermeidbare Restemissionen geben. Sie klar zu definieren, ist zentral für eine verantwortliche Anwendung von Methoden der CO₂-Entnahme und -Speicherung, um netto null zu erreichen.

2. Potenziale und Unsicherheiten müssen weiter erforscht werden.
Es bestehen noch Unsicherheiten hinsichtlich der Skalierung und Effizienz von CDR-Methoden. Realistische Angaben zum Entnahmepotenzial sowie Anwendungsszenarien sind wichtig, um Umsetzbarkeit und Erfolg von CDR einzuschätzen. Deshalb brauchen wir weiterführende Forschung, Technologieentwicklung und Pilotprojekte.

3. Ein breites CDR-Portfolio kann Risiken minimieren.
Um Risiken zu streuen, werden wir die Implementierung von mehreren CDR-Maßnahmen benötigen. Denn die verschiedenen CO₂-Entnahmeverfahren haben jeweils Vor- und Nachteile, etwa hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der CO₂-Speicherung und der Nebeneffekte.
Mithilfe eines Portfolioansatzes könnten Synergien zwischen verschiedenen Methoden gefördert, Zielkonflikte (zum Beispiel begrenzte Landfläche, Biomasse und andere Ressourcen oder Biodiversitätsschutz) verringert und dadurch die gesellschaftliche Akzeptanz erhöht werden. Inwieweit Portfolioansätze zu Synergien oder aber zu weiteren Zielkonflikten (Trade-offs) führen, muss weiter erforscht werden.

4. Der Aufbau von Markt, Regulierung, MRV und Infrastruktur ist wichtig für den CDR-Hochlauf.
Die Schaffung eines von einer unabhängigen Stelle regulierten und kontrollierten Marktes für Methoden der CO₂-Entnahme und -Speicherung sowie klare regulatorische Rahmenbedingungen sind zentral, um Klimawirksamkeit sowie Umwelt- und Sozialverträglichkeit zu gewährleisten und gleichzeitig Investitionen auszuweiten und CDR- und CCS-Projekte (Carbon Capture and Storage) zu realisieren. Der Aufbau einer Infrastruktur für Transport und Speicherung von CO₂ ist eine wichtige Voraussetzung für viele Methoden. Für ihre Integrität und Transparenz braucht es eine effektive Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (Monitoring, Reporting and Verification, MRV).

5. Biodiversität und Nachhaltigkeitsziele (SDGs) dürfen durch CDR nicht gefährdet werden.
Methoden der CO₂-Entnahme und -Speicherung müssen dazu beitragen, den Klimawandel wirksam zu begrenzen. Gleichzeitig dürfen sie aber eine nachhaltige Entwicklung im Sinne des Pariser Klimaabkommens und der „Sustainable Development Goals” (SDGs) in anderen Bereichen nicht gefährden.

 

Foto oben: Podium mit Moderator Lukas Fehr (CDRterra), im Hintergrund v. l. n. r. Stefan Müller (BMBF), Matthias May (Projektleiter des CDRterra-Projekts NETPEC, CDRterra-Sprecherin Julia Pongratz sowie die Sprecher von CDRmare Andreas Oschlies und Gregor Rehder. Quelle: CDRterra/CDRmare, Frank Wölffing.

Alle Fotos im Slider von CDRterra/CDRmare, Frank Wölffing.