Klimaneutralität braucht einen sinnvollen Mix an CDR
Heute hat der erste bundesweite CDR-Dialog (CDR = Carbon Dioxide Removal, Kohlendioxidentnahme aus der Atmosphäre) in München begonnen. Rund 200 Akteur:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Bildung kommen drei Tage lang zusammen, um die Wissensgrundlage dafür zu schaffen, dass Deutschland die Kohlendioxidentnahme sinnvoll gestalten kann. Die Wissenschaftler:innen des Forschungsprogramms CDRterra, welches landbasierte CO₂-Entnahmemethoden untersucht und die Veranstaltung organisiert, sind sich einig: Für das Ziel der Treibhausgasneutralität braucht Deutschland CDR und muss aus einem Portfolio an Maßnahmen schöpfen können. Sie mahnen dabei, dass CDR eine ambitionierte Klimapolitik mit deutlichen CO₂-Einsparungen nicht ersetzen kann. Es ist breiter wissenschaftlicher Konsens, dass CO₂-Entnahmemethoden eine zentrale Ergänzung zu einer drastischen und schnellen Emissionsreduktion sind, um das Netto-Null-Ziel erreichen zu können. CDRterra wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert sowie von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München koordiniert.
„Um den Klimawandel entschieden zu bekämpfen, müssen wir auch auf Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ setzen. Deshalb unterstützen wir die Erforschung landbasierter und mariner CO₂-Entnahmemethoden bereits mit rund 50 Millionen Euro“, betont Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, das große Potenzial der CO₂-Entnahme. „Die Erkenntnisse des Forschungsprogramms CDRterra schaffen die Grundlagen für eine wissenschaftsbasierte Debatte über CDR und werden Eingang in Debatten in Politik und Gesellschaft finden. Besonders begrüße ich dabei den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern zu diesem Zukunftsthema und den Ehrgeiz, dieses komplexe Themenfeld in die Schulen zu tragen“ sagt Brandenburg und unterstreicht damit wichtige Botschaften der Eröffnungsrede des BMBF im Deutschen Museum.
„Derzeit emittieren wir weltweit über 40 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr. Wir haben es gesellschaftlich noch nicht ausgehandelt, wie viele Restemissionen wir uns leisten wollen. Derzeit gehen wir aber davon aus, dass wir für eine Netto-Null global gesehen mehrere Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr aus der Atmosphäre herausnehmen müssen“, betont Prof. Dr. Julia Pongratz, CDRterra-Sprecherin, Klimamodelliererin und Leiterin des Departments für Geographie an der LMU München in ihrer Eröffnungsrede im Deutschen Museum. „Viele Menschen haben jedoch noch gar nicht von CO₂-Entnahme gehört. Andere verbinden damit große Ängste und wieder andere lehnen gar die Forschung an CDR ab, da es der Motivation zur Emissionsreduktion entgegenwirke. Deshalb ist es wichtig, dass Erkenntnisse aus der Wissenschaft den direkten Weg in die Gesellschaft finden – insbesondere in Schulen und Bildungseinrichtungen. So können wir die nächste Generation mit dem Wissen ausstatten, um selbst mitdiskutieren und die Zukunft gestalten zu können. Mit dem CDR-Dialog 2023 bringen wir Forschung, Bildung, Wirtschaft und Politik zusammen und machen einen wichtigen Schritt in diese Richtung.“
CDR-Dialog: wichtige Plattform, um alle Beteiligten bei der CO₂-Entnahme mit einzubeziehen
Es gibt verschiedene Methoden, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen – von der Aufforstung über spezielle Filteranlagen bis hin zu künstlicher Fotosynthese. Jede davon hat eigene Vor- und Nachteile, Wechselwirkungen und Zielkonflikte – zum Beispiel mit der Nahrungsmittelproduktion. Im Forschungsprogramm CDRterra entwickeln über 100 Wissenschaftler:innen einen umfassenden Bewertungsrahmen für die einzelnen Verfahren. „Wichtig ist zu prüfen, was nicht nur technisch möglich ist, sondern auch gesellschaftlich machbar und wünschenswert“, so Pongratz. „Auf dem CDR-Dialog beleuchten wir das Thema deshalb gemeinsam mit Vertretenden aus allen Bereichen der Öffentlichkeit. So können wir schließlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern, mit der ein risikoarmes und nachhaltiges Portfolio an CO₂-Methoden entwickelt werden kann, um die Kohlendioxidentnahme in Deutschland sozial, ökonomisch und ökologisch verträglich zu gestalten.“
Statements weiterer CDRterra-Expert:innen
Dr. Jessica Strefler, leitende Wissenschaftlerin Kohlenstoffmanagement, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK):
„Die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre wird ein integraler Bestandteil deutscher und europäischer Klimapolitik werden. Für eine möglichst nachhaltige und risikoarme Strategie müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Drei Maßnahmen sind besonders wichtig: 1. eine schnelle und drastische Emissionsreduktion in allen Sektoren, um die Abhängigkeit von CDR beim Erreichen der Klimaziele zu reduzieren, 2. die umfassende Erforschung und Entwicklung eines breiten Portfolios an CO₂-Entnahmemethoden sowie der Aufbau von CO₂-Transportinfrastruktur und geologischen Speichermöglichkeiten, 3. die Entwicklung von Konzepten zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung von CO₂-Entnahmen sowie ökonomischen Anreizsystemen.“
Matthias Honegger, Leiter des Geschäftsfeldes CO₂-Entnahme, Perspectives Climate Research, Freiburg:
„Die Entfernung von CO₂ aus der Luft braucht politischen Willen. Ohne Instrumente aus der Politik wird keine der CO₂-Entfernungsmassnahmen ihr Potenzial entfalten können. Es braucht daher eine robuste und gezielte Anstrengung in der Politik, um die notwendigen finanziellen Anreize zu setzen. Diese sollten sowohl mit den kurzfristig oft sehr hohen Kosten von CDR-Maßnahmen sowie langfristig mit deren Skalierung umgehen können – ohne maßlose Last für den Steuerzahler und mit einer möglichst fairen und machbaren Verteilung auf die Emissionsverursacher. Es gibt keine einfachen Antworten auf die Frage nach dem Wie, aber wir müssen sie stellen und gemeinsam beantworten.“
Dr. Katrin Geneuss, Leiterin des CDRterra-Bildungsprogramms und Koordinatorin des Nachhaltigkeitsprogramms „el mundo“, Ludwig-Maximilians-Universität München:
„Aktuelle Fragestellungen der Klimaforschung, die – wie CDR – komplex sind und auf die es keine einfachen Antworten gibt, sollten besonders auch in Schulen bearbeitet werden. Denn dort erreichen wir die Generation, die die Folgen des Klimawandels am stärksten spüren wird und Lösungen über alle Fachgrenzen hinweg erarbeiten und umsetzen muss. Wichtig ist, dass in diesen Lernumgebungen der Diskurs abgebildet wird und sich alle am Lernprozess Beteiligten auf Augenhöhe begegnen.“
Mehr zum CDR-Dialog 2023
Der CDR-Dialog 2023 des BMBF-Forschungsprogramms CDRterra dient als zentrale Plattform für die öffentliche Diskussion zur CO₂-Entnahme in Deutschland.
Die Veranstaltung besteht aus drei Säulen:
• der „CDR Stakeholder Workshop“ zur Einbindung von Nichtregierungsorganisationen, Think Tanks sowie Verbänden
• der „CDR Science Workshop“ für den wissenschaftlichen Austausch innerhalb des CDRterra-Forschungsprogramms
• die CDR-Bildungskonferenz – dabei entwickeln Lehrkräfte und andere Akteur:innen aus dem Bildungsbereich gemeinsam mit Forschenden Möglichkeiten, wie man CDR optimal in den Unterricht integrieren kann
Weitere Highlights sind die Podiumsdiskussion mit Vertretenden aus Politik, Wirtschaft und Verbänden zum Thema „Hürden und Herausforderungen bei der CO₂-Entnahme – wie kommt Deutschland schneller voran?“ sowie die Präsentationen von CDRterra-Forschenden bei der hybriden Vortragsreihe „Wissenschaft für jedermann“ des Deutschen Museums.
Zum Live-Stream der Sendung „Wissenschaft für jedermann“ mit CDRterra am Mittwoch, 11.10.23 von 19.00 – 20.30 Uhr
Zum Programm des CDR-Dialogs 2023
Weitere Infos zum CDR-Dialog
Über CDRterra
Im Forschungsprogramm CDRterra untersuchen über 100 Forschende in zehn Verbundprojekten, wie und in welchem Umfang landbasierte CO₂-Entnahmemethoden zur Begrenzung des Klimawandels beitragen können. Ziel ist die Entwicklung eines umfassenden Bewertungsrahmens für CDR-Methoden und -Portfolios. Dieser soll als Wissensgrundlage dienen, auf der ein sinnvoller Mix an Methoden zur CO₂-Entnahme für Deutschland entwickelt werden kann. CDRterra wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit circa 21 Millionen Euro für zunächst drei Jahre gefördert. Es ist im Oktober 2021 gestartet und wird von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) koordiniert.
Das Begleit- und Synthesevorhaben CDRSynTra führt die Ergebnisse des Forschungsprogramms zusammen und entwickelt Lösungen für den Wissenstransfer in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft. Es bildet auch die zentrale Schnittstelle zur Forschungsmission CDRmare, die marine CDR-Methoden untersucht.
Beteiligt sind folgende Einrichtungen: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Universität Bonn, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ), Thünen-Institut, Universität Hamburg (UH), TechnoCarbon Technologies, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau (LSL), Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung (DITF), Hochschule Geisenheim, Universität Hamburg, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Climate Analytics, adelphi research, Perspectives Climate Research, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (UFR), Technische Universität München (TUM), Hochschule Zittau/Görlitz, Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), Universität Greifswald, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Universität Stuttgart, Technische Universität Darmstadt, Universität Ulm, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB), Climate Service Center Germany (GERICS) – Helmholtz-Zentrum hereon Hamburg, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) – Helmholtz-Zentrum Potsdam, GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), Deutsches Museum (DM) und die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
Pressekontakt:
Karin Adolph
PR-Managerin CDRterra
Telefon: 089 21806594
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