Neuer Bericht zeigt „große Lücke“ bei CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre auf
Neben raschen Emissionsminderungen ist auch die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre nötig, um das Temperaturziel des Pariser Abkommens zu erreichen: die Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zur Begrenzung auf 1,5 Grad zu unternehmen. Dies zeigt der erste Bericht „State of Carbon Dioxide Removal“ (Stand der CO₂-Entnahmen), der mehr als 20 Fachleute auf diesem Gebiet vereint. Er wurde geleitet von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford und mitgeleitet von dem in Berlin ansässigen Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Unterstützt wurde er von unserem Projekt CDRSynTra.
„Derzeit ist wichtiges Wissen zu CO₂-Entnahmen weit verstreut und schwer zugänglich“, sagt Jan Minx, Autor des Berichts und Forscher bei CDRSynTra. „Der Stand von Forschung, Entwicklung und Politik ist hier ähnlich rückständig wie der zu erneuerbaren Energien vor 25 Jahren. Für gute Entscheidungen und schnelleren Fortschritt braucht es angemessene einschlägige Daten. Dieser Bericht wird helfen, diese Situation innerhalb der Fachwelt Schritt für Schritt zu verbessern.“
Laut dem Bericht basiert fast die gesamte derzeitige CO₂-Entnahme auf konventionellen landgestützten Methoden (2 Gigatonnen CO₂ pro Jahr), vor allem durch Aufforstung und Boden-Bewirtschaftung. Die Welt muss das fortsetzen und ausbauen: auf dem 1,5-Grad-Pfad bis 2050 verdoppeln gegenüber 2020, auf dem 2-Grad-Pfad um die Hälfte steigern. Schon das ist mit Blick auf das wärmere Klima sehr schwer und braucht gezielte politische Steuerung. Aber praktisch alle Pfade erfordern auch neue Entnahmetechnologien, wie Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS), Biokohle, beschleunigte Verwitterung sowie Direktabscheidung von CO₂ aus der Luft und Speicherung (DACCS). Auf all dies entfällt nur ein winziger Teil der derzeitigen Entnahme (0,002 Gigatonnen CO₂ pro Jahr). Zum Schließen der Lücke ist ein schnelles Wachstum dieser neuen Technologien nötig, um das 1300-Fache bis 2050.
„Um die Erwärmung auf 2 Grad oder weniger zu begrenzen, müssen wir die Emissionsreduzierung beschleunigen“, sagt Autor Steve Smith von der Smith School of Enterprise and Environment der Uni Oxford. „Doch der Bericht zeigt eindeutig: Wir müssen auch die CO₂-Entnahme erhöhen, indem wir Ökosysteme restaurieren und stärken und neue Entnahmemethoden rasch hochskalieren. Viele Methoden haben Potenzial. Statt uns auf eine oder zwei zu fokussieren, sollten wir ein Portfolio fördern, damit wir schnell auf netto null kommen, ohne uns zu sehr auf eine einzige Methode zu verlassen.“
CO₂-Entnahme ist kein Allheilmittel, Pfade mit 2 Grad oder weniger Erwärmung implizieren zusätzlich auch drastische Emissionsminderung. Laut dem Bericht können schnelle Minderung und effizientere Energienutzung die Abhängigkeit von Entnahme begrenzen. Das in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erforderliche Volumen ist nur denkbar mit erheblichem Aufbau in den nächsten zehn Jahren, in der Aufbauphase der neuartigen CO₂-Entnahmen.
„Innovation in diesem Bereich nahm in den letzten zwei Jahren dramatisch zu, gemessen an Investitionen in Kapazitäten, öffentlich finanzierter Forschung und Patenten“, sagt Autor Gregory Nemet, Professor an der La Follette School of Public Affairs der University of Wisconsin-Madison. „Angesichts der Größenordnung, die die CO₂-Entnahme-Industrie bis Mitte des Jahrhunderts erreichen muss, besteht jedoch dringender Bedarf an umfassender politischer Anschubhilfe.“ Autor und CDRSynTra-Forscher Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagt: „CO₂-Entnahme ist kein Kann, sondern ein Muss, um das Temperaturziel des Paris-Abkommens zu erreichen. Gut 120 Regierungen haben ein Netto-Null-Emissionsziel, was CO₂-Entnahme voraussetzt, aber nur wenige haben umsetzbare Pläne für deren Entwicklung – das ist ein großes Manko.“
Künftig wird der Bericht regelmäßig Fachleute aus Forschung, Politik und Anwendung über den Stand der Dinge informieren. Dazu werden die großen Datenmengen und Entwicklungen in vielen Teilen der Welt systematisch erfasst und analysiert.
Zum Download des „State of CDR“-Berichts
((Text entnommen aus der Pressemitteilung des MCC vom 19.01.2023))
Zum Launch-Mitschnitt des „State of CDR“-Berichts auf Youtube